Rassismus im digitalen Raum
Menschen, die in der Offline-Welt Rassismus erfahren, erleben diesen häufig auch im digitalen Raum – das geht von Beleidigungen und Hate Speech (Hassrede) bis hin zu Shitstorms.
In der repräsentativen Befragung #HassimNetz: Der schleichende Angriff auf unsere Demokratie (2019) wurden bundesweit Menschen zwischen 18 und 95 Jahren zu ihren Erfahrungen mit Hassrede befragt. Das Ergebnis: 73 Prozent der 18- bis 24-Jährigen gaben an, online schon Hassrede beobachtet zu haben. Sehr oft richteten sich die Kommentare gegen Gruppen wie geflüchtete Menschen, Menschen mit Migrationshintergrund sowie Musliminnen und Muslime.
Oft wird die Verbreitung rassistischer Hetze mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung gerechtfertigt. Aber: Beleidigungen, Gewaltdarstellungen, Volksverhetzung (Aufrufen zu Hass und Gewalttaten, Hetze gegenüber Menschen/Gruppen) und Bedrohung sind nicht von der Meinungsfreiheit (GG Art. 5) gedeckt und stehen unter Strafe.
Auf was zielt Hassrede ab?
Bei der Studie #HassimNetz wurden Teilnehmende aus Brandenburg, denen selbst Hassrede widerfahren ist, nach deren Inhalt befragt. 35 Prozent gaben an, die Hassrede habe sich gegen ihr Aussehen gerichtet, bei 26 Prozent ging es um ihre Herkunft, bei 21 Prozent um die Religion.
Not so social! Die Folgen von Hassrede
Neben den erheblichen psychischen Auswirkungen, unter denen Betroffene oft zu leiden haben, leidet auch die Diskussionskultur unter Hassrede. Wenn rassistische Haterinnen und Hater die Kommentarspalten oder Timelines in Sozialen Medien bestimmen, entsteht schnell der falsche Eindruck, dass sie die Mehrheitsmeinung vertreten. Das wiederum hat Einfluss darauf, ob Andersdenkende es noch wagen, dort ihre eigene Position zu äußern. Damit gefährdet Hass im digitalen Raum die Meinungsfreiheit in unserer Demokratie.
Verschiebung von Normalität im Netz?
„Online gibt es eine Verschiebung der Wirklichkeit“, sagt Kübra Gümüşay, Journalistin, feministische Bloggerin und Autorin. Sie kritisiert: Heute müssen sich Betroffene, Minderheiten und offene, tolerante Menschen erklären und verteidigen, nicht mehr die Haterinnen und Hater.
Beispiel Hassrede: "Asian Hate"
Die Nachricht vom Ursprung des Coronavirus in China hat seit Beginn der Pandemie den – auch schon zuvor existenten – anti-asiatischen Rassismus neu befeuert: Menschen, die als asiatisch wahrgenommen werden, wird seither die Schuld am Ausbruch des Virus gegeben. Sie werden in den Sozialen Medien zu einer gesellschaftlichen Gefahr stigmatisiert, beschimpft und bedroht.
Medientipp: Rassismus sichtbar machen
Das Netzwerk „Ich bin kein Virus“ hat rassistische Vorfälle mit anti-asiatischem Kontext gesammelt und betroffenen Menschen eine Plattform geboten – vor allem während der COVID-19-Pandemie.
Versteckter Rassismus: Framing und Fake News
Weniger offensichtlich als rassistische Hasskommentare sind Phänomene, über die subtil rassistische Vorstellungen verbreitet werden. Dies kann beispielsweise über die gezielte Verbreitung von Fake News/Falschmeldungen geschehen oder über Framing). Unser Gehirn setzt automatisch jedes Wort, das wir hören oder lesen, in einen bestimmten Zusammenhang (Deutungsrahmen, bzw. „frame“).
Beim sogenannten Framing machen sich manche Menschen das zunutze. Sie kombinieren Themen sprachlich so, dass gezielt bestimmte Deutungsrahmen aktiviert werden und so die (emotionale) Reaktion beeinflusst wird. Werden in Zusammenhang mit einer bestimmten Thematik zum Besipiel immer wieder rassistische Frames aktiviert, besteht die Gefahr, dass sie zu gesellschaftlichen Denkmustern werden.
Was ist Framing?
Worte rufen automatisch gewisse Assoziationen und Verknüpfungen hervor. Worte beeinflussen unser Denken und manchmal sogar unser Handeln – dieses Prinzip nennt sich Framing.
Was sind Fake News?
Überall im Netz sind sie weit verbreitet: Fake News. Doch was genau sind Fake News und wie erkennt man sie?
Rassistische Fake News
Oft versuchen Fake News, auf komplizierte Fragestellungen einfache Antworten zu geben, die das Weltbild ihrer Zielgruppe bestätigen. Fake News wie diese stellen Informationen aus zumeist ungesicherten Quellen in einen völlig falschen Zusammenhang. Unabhängige Organisationen wie correctiv.org, aber auch die ARD stellen viele Falschmeldungen richtig.
Die Redaktion ARD-Faktenfinder hat auch dieses Thema (Schlagzeile „Migrantenflucht nach Europa per Mastercard und Soros-Express“) untersucht.
Medientipp: Verschwörungs-Checker
Mit dem Verschwörungs-Checker der Amadeu Antonio Stiftung kann man Geschichten, die einem erzählt werden, auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen und so herausfinden, was real und was falsche Informationen und Nachrichten sind.
Übrigens: Dort wird bewusst von „Verschwörungserzählungen“ gesprochen und nicht von „Verschwörungstheorien“ – denn eine „Theorie“ basiert auf wissenschaftlichen Fakten.
Den Verschwörungs-Checker findet ihr hier.
Hass ist keine Meinung!
Das Internet ist kein rechtsfreier Raum: Das sollte Nutzerinnen und Nutzer digitaler Medien bewusst sein. Betroffene oder Zeuginnen und Zeugen von Hassrede können offiziell Anzeige erstatten, auch anonym. Hilfreich ist es, mit Screenshots schon im Vorfeld Beweise zu sichern.
Beweise auf Social Media sichern?
Du bist selbst betroffen von Hassrede oder begegnest Hassrede im Netz? Aber wie kannst du Beweise auf Social Media sichern?
Das Video erklärt dir, wie du rechtlich sichere Screenshots machen kannst. Diese kannst du im Falle einer Anzeige als Beweismittel verwenden.
Welche Strafen kann Hassrede nach sich ziehen?
Hassrede im Netz kann empfindliche Strafen nach sich ziehen. Die folgenden Beispiele zeigen echte Aussagen aus dem digitalen Raum und die rechtlichen Konsequenzen.
6 Monat Freiheitsstrafe auf Bewährung und 80 Sozialstunden im Bereich Flüchtlings- und Asylhilfe
„Gibt genug Deutsche, die für einen Euro arbeiten um zu überleben, steckt es dem Asi-Pack ruhig in den A***. Erschossen gehören die.“
800 Euro Strafe (20 Tagessätze zu je 40 Euro)
„Ihr scheiß Nazis könnt euch verpissen […] Mit solchen Faschisten rede ich nicht“
10 Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung
„Tod und Hass den Zionisten!“
3.750 Euro Strafe (150 Tagessätze zu je 25 Euro)
Bezeichnung von Geflüchteten als „Gesocks“, „Affen“, „Ungeziefer“, „kriminelles Pack“
Wie wehre ich mich gegen Hass?
Es gibt unterschiedliche Strategien, um auf rassistischen Hass im Netz zu reagieren. Welche die jeweils richtige ist, hängt vom individuellen Fall ab. Laut Expertinnen und Experten lässt sich Hass im Netz am besten stoppen, wenn entsprechende Beiträge sofort an die Seitenbetreiber gemeldet werden. Diese haben die Pflicht, die Beiträge zu überprüfen und zu entfernen. Bei wiederholten Meldungen können dann Nutzerkonten gesperrt werden.
Um versteckten Rassismus im Netz erkennen zu können, ist Medienkompetenz wichtig. Neben der Medienerziehung in der Schule gibt es online viele Angebote, so z. B. die ARD-Reihe „So geht Medien“.
Was tun gegen Hassrede?
Wie können wir uns gegen Hassrede wehren? Wie sollen wir uns verhalten, wenn wir Opfer von Hassrede im Netz werden?
Medientipp: Stark gegen Online-Hass
Vereine wie ichbinhier.eu und HateAid beraten Betroffene von Hassrede und leisten individuelle Hilfestellung. Auf der Trainings- und Aktionsplattform love-storm.de kann digitale Zivilcourage trainiert werden, und auf der News-Plattform Belltower News- Netz für digitale Zivilgemeinschaft finden sich eine tagesaktuelle Presseschau, Artikel, Analysen und viele Ideen zu den Themen Rechtsextremismus, Hate Speech und Kommunikationskultur.
Unterstützung zur Gegenrede und Strategien gegen Hate Speech findet man auf No-Hate-Speech.de. Dort gibt es auch Memes*, mit denen man Hassrede kontern kann.
*Hinweis: Die Nutzung von Memes stellt eine Art gesetzliche Grauzone dar. Theoretisch können bei der Nutzung von Memes Persönlichkeits-, Urheber- und Markenrechtsverletzungen auftreten, was aber selten der Fall ist.